der SPIEGEL ONLINE schreibt dazu :
SPD
Burschenschafter sollen draußen bleiben
Von Jochen Leffers
Die SPD will sich künftig deutlich von Burschenschaften abgrenzen:
Kein Sozialdemokrat soll dort Mitglied sein. Handelt die Partei
konsequent, müsste sie einige prominente Genossen vor die Tür setzen.
Karlsruhe - Der Bundesparteitag in Karlsruhe beauftragte am Mittwoch
den Parteivorstand, "die Mitgliedschaft in einer studentischen
Burschenschaft oder in einem Corps grundsätzlich für unvereinbar mit
der Mitgliedschaft in der SPD zu erklären". In der Antragsdebatte
sagte dazu ein Delegierter: "Wir brauchen keine Sexisten und Rassisten
in der SPD." Mehrere Debattenredner begründeten den
Abgrenzungsbeschluss damit, dass in vielen Burschenschaften und
besonders in deren Dachverbänden rechtsextremes und militaristisches
Gedankengut verbreitet sei. Auch sollten Netzwerke für die Vergabe von
Posten geschaffen werden, in denen die Qualifikation keine Rolle
spiele.
Bereits vor knapp zwei Monaten hatte sich in der SPD Unmut geregt,
weil zwei prominente Altgenossen vor Burschenschaftern auftreten
wollten, beide Anfang Oktober in Berlin: der ehemalige
nordrhein-westfälische Sozialminister Friedhelm Farthmann mit einer
Rede zum Jahrestag der Wiedervereinigung bei einem Festkommers von
Korporationen, der frühere Kanzleramtschef Egon Bahr als Redner zum
Thema "Europa und die Türkei" bei der Berliner Burschenschaft Gothia.
Diese schlagende Verbindung ist Mitglied in der Deutschen
Burschenschaft und der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, unter deren
Dach sich teils sehr rechte Studentenverbindungen vereinigt haben,
darunter die berüchtigte Münchner Danubia.
Gegen diese Auftritte protestierten einige Sozialdemokraten energisch,
vor allem die Jusos und Juso-Hochschulgruppen. Burschenschaften seien
"nicht mit den Grundwerten der Sozialdemokratie vereinbar", heißt es
in einem offenen Brief an Egon Bahr: "Burschenschaften behandeln
Menschen ungleich, Frauen werden oft wegen ihres Geschlechts
strukturell benachteiligt. Für viele Burschenschaften sind rassische
Kriterien, Nationalität, sexuelle Orientierung, Religion oder die
Wehrdienstverweigerung Ausschlusskriterien für eine Aufnahme. (...)
Wir halten es für nicht akzeptabel, wenn Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten durch Reden vor Burschenschaften daran mitwirken,
dass Burschenschaften an Einfluss gewinnen und ihr elitäres und
undemokratisches Weltbild salonfähig wird."
Den Brief unterzeichneten Björn Böhning (Juso-Vorsitzender), Ralf
Höschele (Juso-Hochschulgruppen), Niels Annen vom Parteivorstand sowie
der Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy. Dem "lieben Egon" warfen
sie auch vor, gemeinsam mit dem nach ganz rechts abgedrifteten
Berliner Dozenten Bernd Rabehl aufzutreten.
Nicht jeder Burschenschafter ist Extremist
Nach den Querelen um die Reden von Bahr und Farthmann geht der
Parteitagsbeschluss offenbar auf eine Initiative linker, junger
Sozialdemokraten zurück. Vorläufig soll die Parteiführung nur
"prüfen", ob man zugleich Mitglied in der SPD und in einer
Burschenschaft sein kann. Handelt sie konsequent, dürfte es erhebliche
Schwierigkeiten mit einer Reihe gestandener Sozialdemokraten geben. Im
Internet führen Verbindungen mehrere Listen mit prominenten
Politikern. Neben Friedhelm Farthmann (Königsberger Burschenschaft
Gothia zu Göttingen) ist dort beispielsweise der frühere
Bundesbauminister Dieter Haack (Burschenschaft der Bubenreuther zu
Erlangen) verzeichnet, ebenso wie Klaus Hänsch, Ex-Präsident des
Europäischen Parlaments (Corps Silingia Breslau zu Köln).
Der bekannteste aktuelle Name ist Johannes Kahrs, Hamburger
Bundestagsabgeordneter und Sprecher des konservativen Seeheimer
Kreises in der SPD. Er gehört dem Wingolfsbund an, wie auch aus seiner
Homepage im Bundestag hervorgeht. Der Wingolfsbund ist allerdings
keine Burschenschaft und beschreibt sich als "christliche,
farbentragende, nicht schlagende Studentenverbindung". Der Bund
verzichte auf Fechtduelle, lehne "politischen oder weltanschaulichen
Extremismus" ab und nehme auch Ausländer auf - Frauen allerdings
nicht.
Das Beispiel zeigt: Die Unterscheidung zwischen sturzkonservativen bis
rechtsradikalen Studentenverbindungen einerseits und liberalen,
weltoffenen Verbindungen andererseits könnte der SPD noch einiges
Kopfzerbrechen bereiten. Denn nicht alle Verbindungen sind
Burschenschaften. Und beileibe nicht überall wird mit Säbeln
gerasselt, die Niederlage der Deutschen im Zweiten Weltkrieg beweint,
gegen Ausländer gehetzt.
Das ahnen auch die Sozialdemokraten. Vom Unvereinbarkeitsbeschluss
wollen sie Ausnahmen machen: für Verbindungen, die nicht einer der
Dachorganisationen Deutsche Burschenschaften, Neue Deutsche
Burschenschaft, Coburger Convent oder Cartellverband der katholischen
deutschen Studentenverbindungen sowie deren Unterverbindungen
angehören. Weitere Voraussetzung für Ausnahmen soll sein, dass sich
die entsprechenden Burschenschaften "klar von
geschichtsrevisionistischen Meinungen abgrenzen" und es in ihnen
"keine Ungleichbehandlung von Mann und Frau" sowie "keine
Diskriminierungen bestimmter Gesellschaftsgruppen" gibt, zum Beispiel
Ausländer, Homosexuelle oder Wehrdienstverweigerer.